Glaubenssatz-Alarm: Ich hab einfach nur eine blühende Fantasie!
„Ich hab einfach nur eine blühende Fantasie!“ – Der Mindfuck: Ein tiefsitzender Glaubenssatz. Viele Menschen mit DIS kennen diesen Gedanken: „Ich hab mir das alles nur ausgedacht!“ – ein Glaubenssatz, der sich tief in das System eingraviert hat. Doch woher kommt er, warum ist er so hartnäckig und wie kann man ihm begegnen?
In diesem Artikel wollen wir uns genau damit auseinandersetzen und dir sagen: Nein! Glaub das nicht! 🦋
Warum fühlt sich dieser Glaubenssatz so real an?
Menschen mit DIS haben oft sehr detaillierte Innenwelten und ein vielschichtiges inneres Erleben. Das kann sich zu echt anfühlen, um „nur Fantasie“ zu sein – aber gleichzeitig auch zu unwirklich, um real zu sein. Hier sind einige Gründe, warum dieser Glaubenssatz so stark ist:
- Er wurde von frühen Bezugspersonen oder Täter*innen eingeredet: Aussagen wie „Das bildest du dir nur ein!“ oder „Das ist nie passiert!“ haben sich tief eingebrannt.
- Er dient als Selbstschutz: Wenn alles nur Fantasie ist, muss man sich nicht mit der vollen Wucht der eigenen Erlebnisse auseinandersetzen.
- Die Gesellschaft bestärkt ihn: DIS wird oft als „zu extrem“ oder „wie im Film“ dargestellt – das führt dazu, dass Betroffene an sich selbst zweifeln.
- Innenwelten können detailreich und lebendig sein: Dadurch kann das Gefühl entstehen, dass das eigene Erleben doch „nur ausgedacht“ ist.
Das Perfide an diesem Glaubenssatz ist, dass er sich selbst verstärkt. Je mehr Zweifel auftauchen, desto stärker fühlt sich die Überzeugung an, dass alles nur Einbildung ist. Doch genau das zeigt, dass hier ein Schutzmechanismus am Werk ist – ein innerer Versuch, Kontrolle über eine Realität zu behalten, die einst überwältigend war.
Diese Erkenntnis kann helfen, dem Gedanken weniger Macht zu geben.
Tagebucheintrag einer Persönlichkeit
Ich weiß, dass wir eine DIS haben. Ich weiß es. Aber es fühlt sich immer noch komisch an. Nicht unwahr – nur… surreal? Es ist, als würde ich eine Geschichte über uns lesen, aber nicht wirklich darin vorkommen. Oder als würde ich durch einen Schleier auf etwas schauen, das ich verstehen soll, aber nicht ganz greifen kann.
Manchmal frage ich mich, ob ich einfach nur alles überinterpretiere. Vielleicht bin ich einfach nur jemand, der sich zu viele Gedanken macht? Vielleicht ist das hier einfach eine Art kreative Verarbeitung? Aber dann passieren Dinge, die ich nicht erklären kann. Wörter, die ich nicht geschrieben habe. Gedanken, die nicht meine sind. Menschen, die sich an mich erinnern, während ich keine Ahnung habe, wer sie sind.
Es ist verwirrend. Ich glaube es. Ich weiß es. Aber warum fühlt es sich dann manchmal trotzdem noch an, als hätte ich es mir ausgedacht?
Vielleicht ist das genau das Problem. Dass mir jemand mal gesagt hat, dass ich lüge. Dass das alles nicht echt ist. Dass ich Dinge nicht fühlen oder wissen darf. Vielleicht ist das hier einfach die Nachwirkung davon. Ein alter Schutzmechanismus, der versucht, mich aus meiner eigenen Wahrheit herauszuhalten.
Ich will glauben, dass wir real sind. Dass das hier real ist. Dass ich real bin.
Vielleicht brauche ich einfach noch Zeit.
Der innere Konflikt: Realität vs. Fantasie
Ein System kann sich in einem ständigen Widerspruch wiederfinden.
- Ein Teil ist fest davon überzeugt, dass alles nur Fantasie ist.
- Ein anderer Teil weiß genau, dass etwas wirklich passiert ist.
- Ein dritter Teil ist sich unsicher und hinterfragt alles.
Diese verschiedenen Perspektiven prallen aufeinander und erzeugen ein Gefühl von Unsicherheit. Wer hat recht? Wer liegt falsch? Die Wahrheit ist oft nicht schwarz-weiß, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Erleben, Schutzmechanismen und abgespaltenen Erinnerungen.

Wie kannst du diesem Glaubenssatz begegnen?
Bevor wir zu den Strategien kommen, ist es wichtig zu verstehen, dass dieser Glaubenssatz oft nicht von heute auf morgen verschwindet. Es braucht Zeit, Geduld und häufig auch externe Unterstützung, um ihn nach und nach aufzulösen oder damit umzugehen. Hier sind einige Möglichkeiten, um sich nicht vollkommen von diesem Glaubenssatz vereinnahmen zu lassen:
- 🔹 Anerkennen, dass Zweifel Teil des Schutzmechanismus sind. Der Glaubenssatz existiert nicht ohne Grund – er hat geholfen, das Überleben zu sichern. Aber das bedeutet nicht, dass er wahr ist und bleiben muss!
- 🔹 Sich mit anderen Systemen austauschen. Zu hören, dass andere genau das Gleiche erleben, kann helfen, den eigenen Zweifeln weniger Macht zu geben.
- 🔹 Den eigenen Wahrnehmungen Raum geben. Anstatt sofort alles abzutun, können wir uns fragen: „Was, wenn es wahr wäre? Was würde das bedeuten?“
- 🔹 Sicherheit im Hier und Jetzt schaffen. Erinnerungen (oder das Fehlen von Erinnerungen) sind nicht das einzige, was unser Sein ausmacht – wir dürfen im Jetzt existieren.
Wichtig ist, sich nicht selbst für diese Zweifel zu verurteilen. Sie sind Teil eines Schutzmechanismus, der einst notwendig war. Heute kann es helfen, sie mit Mitgefühl zu betrachten und ihnen Stück für Stück die Kontrolle zu ‚entziehen‘. Veränderung geschieht nicht abrupt – sie ist ein Prozess, der Raum und Zeit braucht.

Gemalt mit ProCreate.
Fazit: Der Glaubenssatz darf gehen!
„Ich hab einfach nur eine blühende Fantasie!“ ist einer der heftigsten Mindfuck-Glaubenssätze, die ein System haben kann. Und trotzdem ist genau dieser Glaubenssatz der, der am meisten vorhanden ist, weil er ‚gefüttert‘ wurde. Genrell kann er aus verschiedenen Richtungen kommen – von frühen Erfahrungen, von der Gesellschaft oder aus dem System selbst. Ihn zu hinterfragen und sich selbst ernst zu nehmen, ist ein wichtiger Schritt, um sich von ihm zu lösen.
Kennt ihr diesen Gedanken aus eurem eigenen Erleben? Wie geht ihr damit um?
Schreibt es gerne in die Kommentare oder teilt eure Erfahrungen! 🦋
Liebe Nika Vida,
ich bin nur eine Person, trotzdem kenne ich den Zweifel, ob ich mich korrekt erinnere oder ob ich mir Dinge einbilde. Es gibt wenig Unterstützung von außen einzuordnen, ob die Erinnerungen passen oder verändert wurden oder ob es nie stattgefunden hat. Ich habe mich entschieden, dass meine Erinnerungen richtig sind.
Das ist einfach, denn ich bin ja alleine mit mir. Und nach außen unauffällig. Ich darf entscheiden über meine Vergangenheit und wie ich sie sehe, was immer ich will.
Mein Respekt für dich. Denn es mischen sich so viel mehr Personen in deine Erinnerungen ein. Danke, dass du hier dein Erleben teilst.
Liebe Grüße
Jutta
Buenos días Jutta,
danke für deinen Kommentar und für die Sichtweise 🙂 Und wir feiern deine Einstellung sehr: „Ich habe mich entschieden, dass meine Erinnerungen richtig sind.“ 😍
Liebe Grüße
Nika