Safe Spaces mit DIS – Warum wir sie brauchen und wie wir sie erschaffen
Safe Spaces sind für uns als DIS-Menschen keine Luxus-Wohlfühl-Zonen, sondern Überlebensnotwendigkeit. Unser Nervensystem hat gelernt, permanent auf Gefahr zu scannen. In sicheren Räumen dürfen wir diesen Wachmodus endlich runterfahren, aber was macht einen Raum eigentlich sicher? Und wie schaffen wir uns solche Räume in einer Welt, die oft alles andere als sicher fühlt? In diesem ausführlichen Guide teilen wir mit euch, warum Safe Spaces so wichtig sind, wie ihr sie erschaffen könnt und welche Strategien uns im Alltag wirklich helfen.
Was sind Safe Spaces überhaupt?
Ein Safe Space ist kein perfekter Ort ohne jegliche Trigger. Diese Vorstellung wäre nicht nur unrealistisch, sondern auch nicht hilfreich für unsere Entwicklung. Stattdessen ist ein Safe Space ein Raum, in dem bestimmte grundlegende Bedingungen erfüllt sind, die unserem Nervensystem erlauben, aus dem permanenten Überlebensmodus herauszukommen.
Wichtig zu verstehen: Safe Spaces können physische Orte sein wie euer Zuhause oder eine bestimmte Ecke im Park. Sie können aber auch soziale Räume sein wie eine vertraute Therapiestunde oder ein Treffen mit verständnisvollen Menschen. Und besonders für uns als DIS-Menschen können Safe Spaces auch innere Orte sein. Räume in unserer Innenwelt, in die wir uns im Innen zurückziehen können. Innere Treffpunkte, an denen verschiedene Persönlichkeiten sicher zusammenkommen. Diese inneren Safe Spaces haben wir immer dabei, unabhängig von äußeren Umständen. Das macht sie zu einem unglaublich mächtigen Tool in unserem Alltag.
Die fünf Grundpfeiler von Safe Spaces
- Wir dürfen sein, wie wir sind und das mit allen Persönlichkeiten, ohne uns verstellen oder verstecken zu müssen. Niemand verlangt von uns, nur eine bestimmte Facette zu zeigen oder bestimmte Persönlichkeiten zu unterdrücken. Das klingt simpel, ist aber für viele von uns eine absolute Seltenheit im Alltag.
- Unsere Grenzen werden respektiert. Wenn wir „Nein“ sagen, wird dieses Nein akzeptiert. Wenn wir sagen „Darüber möchte ich nicht sprechen“, wird nicht nachgebohrt. Wenn wir Abstand brauchen, bekommen wir Abstand. Grenzen sind keine Verhandlungssache.
- Wir müssen uns nicht erklären oder rechtfertigen. Warum wir gerade eine Pause brauchen, warum bestimmte Situationen schwierig sind oder warum wir so reagieren, wie wir reagieren. In einem Safe Space ist es okay, einfach zu sein, ohne ständig Rechenschaft ablegen zu müssen.
- Retraumatisierung wird minimiert. Das bedeutet nicht, dass niemals etwas Triggerndes passiert. Aber es gibt Mechanismen, die uns schützen. Content Notes, Rücksichtnahme oder die Möglichkeit uns zurückzuziehen. Auch ein bewusstes Bemühen, uns nicht in Situationen zu bringen, die uns überfordern spielt hier eine Rolle.
- Wir haben Kontrolle über unsere Umgebung. Wir können Licht, Temperatur und Geräuschpegel beeinflussen, zumindest oft, außerdem können wir entscheiden, wann wir gehen und wann wir bleiben. Wir sind nicht ausgeliefert oder gefangen und diese Kontrolle ist für Menschen mit Trauma Hintergrund fundamental wichtig.
Warum DIS-Menschen Safe Spaces brauchen
Unser Nervensystem funktioniert anders als das von Menschen ohne Trauma und das ist keine Einbildung, keine Schwäche, sondern neurobiologische Realität. Trauma hinterlässt Spuren in unserem Gehirn und Nervensystem, die sich nicht einfach wegwünschen lassen.
Die Polyvagal-Theorie und Safe Spaces
Die Polyvagal-Theorie nach Stephen Porges erklärt, wie unser autonomes Nervensystem auf Sicherheit und Bedrohung reagiert. Sie unterscheidet drei verschiedene Zustände, die unser Nervensystem einnehmen kann.
- Der ventrale Vagus-Zustand ist der Zustand sozialen Engagements. Hier fühlen wir uns sicher, können Verbindungen eingehen, sind kreativ und lernfähig. Unser Körper ist entspannt, wir können Augenkontakt halten und uns auf andere einlassen. Das ist der Zustand, in dem Heilung und Wachstum möglich sind.
- Der Sympathikus-Zustand ist geprägt von Kampf oder Flucht. Unser Körper ist in Alarmbereitschaft, denn Herzschlag und Atmung beschleunigen sich und alle Ressourcen sind auf Überleben ausgerichtet. In diesem Zustand können wir nicht wirklich nachdenken, sondern nur reagieren.
- Der dorsale Vagus-Zustand ist der Zustand der Erstarrung oder des Shutdowns. Wenn weder Kampf noch Flucht möglich erscheinen, schaltet unser System auf Notabschaltung. Wir dissoziieren, fühlen uns taub, abgetrennt, wie hinter Glas.
Menschen mit komplexem Trauma, zu dem auch DIS gehört, verbringen einen großen Teil ihrer Zeit im Sympathikus oder dorsalen Vagus-Zustand, denn unser Nervensystem hat gelernt, ständig auf Gefahr zu scannen. Es interpretiert Situationen als bedrohlich, welche für andere Menschen neutral sind. Das ist keine bewusste Entscheidung, sondern eine automatische Reaktion unseres Überlebenssystems.
Safe Spaces sind die Räume, in denen unser Nervensystem genug Sicherheitssignale empfängt, um in den ventralen Vagus-Zustand zu wechseln. Nur dort ist Regulation, Verbindung und Heilung möglich. Ohne Safe Spaces bleiben wir im permanenten Überlebensmodus stecken, was auf Dauer nicht nur erschöpfend ist, sondern Heilung, Entwicklung, Wachstum oder Integration unmöglich macht.
Der Unterschied zwischen Komfortzonen und Safe Spaces
Viele Menschen verwechseln Safe Spaces mit Komfortzonen und werfen uns vor, wir würden uns der Realität entziehen oder uns nicht weiterentwickeln wollen, was ein fundamentales Missverständnis ist.
Eine Komfortzone ist ein Bereich, in dem wir uns wohlfühlen und keine Herausforderungen erleben. Wachstum findet außerhalb der Komfortzone statt. Das stimmt für viele Bereiche des Lebens. Aber es funktioniert nur, wenn wir von einem Ort der Sicherheit aus starten.
Ein Safe Space ist die Basis, von der aus wir uns entwickeln können. Er ist nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt. Stellt euch einen Bergsteiger vor, der einen schwierigen Aufstieg plant. Er braucht ein sicheres Basislager, zu dem er zurückkehren kann, um sich auszuruhen, neue Kraft zu sammeln und seine Ressourcen aufzufüllen, denn ohne dieses Basislager würde er nicht weit kommen.
Genau so funktionieren Safe Spaces für uns. Sie sind die Orte, an denen wir auftanken, uns regulieren und stabilisieren können, um dann wieder in die Welt hinauszugehen. Sie ermöglichen uns, Herausforderungen anzunehmen, weil wir wissen, dass wir einen sicheren Ort haben, zu dem wir zurückkehren können.

Physische Safe Spaces gestalten
Jetzt kommen wir zum praktischen Teil. Wie erschaffen wir konkret Safe Spaces in unserem Leben? Beginnen wir mit physischen Räumen, denn diese sind oft am einfachsten zu beeinflussen.
Safe Spaces zu Hause erschaffen
Euer Zuhause sollte idealerweise euer wichtigster Safe Space sein. Das ist nicht für alle von uns möglich, aber selbst wenn die gesamte Wohnsituation schwierig ist, können wir oft Teilbereiche sicherer gestalten.
Sensorische Anker sind unglaublich wirksam. Unser Gehirn verbindet bestimmte Sinneseindrücke mit Sicherheit oder Gefahr. Wenn wir bewusst Anker setzen, die unser Nervensystem beruhigen, schaffen wir sofortige Sicherheitssignale. Das können bestimmte Düfte sein, die wir nur in unseren sicheren Momenten verwenden. Lavendel, Vanille, Zitrusfrüchte oder was auch immer für euch funktioniert. Aber bitte nichts, was mit Triggern verbunden ist.
Licht spielt eine enorme Rolle, denn grelles Licht kann überstimulieren, zu dunkle Räume können bedrohlich wirken. Dimmbare Lampen, Lichterketten oder indirekte Beleuchtung geben uns die Kontrolle über die Lichtsituation. Verschiedene Persönlichkeiten in unserem System haben unterschiedliche Lichtbedürfnisse, sodass flexible Lösungen allen helfen.
Texturen und Oberflächen sprechen direkt unser taktiles System an. Kuschelige Decken, weiche Kissen, aber auch härtere Oberflächen wie glatte Steine oder strukturierte Stoffe können helfen, uns zu erden. Wir haben in unseren sicheren Ecken verschiedene Texturen, die verschiedene Persönlichkeiten ansprechen.
Temperatur ist ein weiterer wichtiger Faktor, denn manche von uns frieren schnell und brauchen Wärme, andere überhitzen leicht. Heizdecken, Ventilatoren oder die Möglichkeit, Fenster zu öffnen, geben uns Kontrolle über die Temperatur.
Akustik wird oft unterschätzt, denn für manche sind bestimmte Geräusche beruhigend, für andere ist Stille wichtig. Noise-Cancelling-Kopfhörer, White-Noise-Maschinen oder die Möglichkeit, Musik zu hören, sind wertvolle Tools, aber gleichzeitig sollten wir störende Geräusche minimieren können.
Rückzugsorte für verschiedene Persönlichkeiten brauchen Raum. Nicht jeder von uns braucht dasselbe, denn manche Persönlichkeiten in unserem System brauchen enge, geschützte Räume. Andere brauchen Weite und Offenheit. Wenn möglich, schafft verschiedene Bereiche. Eine gemütliche Ecke mit vielen Kissen, ein strukturierter Arbeitsbereich, aber auch ein kreatives Chaos-Eck, denn verschiedene Persönlichkeiten fühlen sich in verschiedenen Settings sicher.
Trigger-Objekte konsequent entfernen ist manchmal schmerzhaft, aber notwendig. Gegenstände, die an traumatische Erlebnisse erinnern, haben in eurem Safe Space nichts zu suchen. Das können Fotos, Geschenke, Kleidungsstücke oder andere Objekte sein. Es ist keine Schwäche, diese zu entfernen, sondern Selbstfürsorge.
Notfallboxen mit Skills-Material sollten griffbereit sein, also packt eine Box mit Dingen, die euch in akuten Momenten helfen. Eiswürfel oder Kühlpacks für intensive sensorische Reize, scharfe Bonbons oder Chilischoten für starke Geschmacksreize. Auuch Ätherische Öle wie Pfefferminz oder Eukalyptus. Verschiedene Texturen zum Anfassen können helfen. Stressbälle oder Fidget-Tools, eine Liste mit Skills, die funktionieren, Telefonnummern von sicheren Menschen.

Safe Spaces unterwegs finden
Die Welt außerhalb unserer vier Wände ist oft weniger kontrollierbar. Aber auch hier können wir Strategien entwickeln, um Sicherheit zu erschaffen.
Orte kartieren und bewusst auswählen hilft enorm, z.B. welche Cafés haben ruhige Ecken? Welche Supermärkte sind zu welchen Zeiten weniger voll? Wo gibt es Parks mit wenig Durchgangsverkehr? Investiert Zeit, um solche Orte zu finden, dann erstellt euch eine mentale oder physische Karte von sicheren Orten in eurer Umgebung.
Zeitfenster strategisch nutzen macht einen riesigen Unterschied, also einkaufen um 7 Uhr morgens statt Samstagnachmittag. Arzttermine als erste oder letzte des Tages buchen. Öffentliche Verkehrsmittel außerhalb der Stoßzeiten nutzen. Ja, das erfordert Planung, aber es reduziert Überstimulation massiv.
Notfall-Kits dabei haben gibt Sicherheit. Eine kleine Tasche mit den wichtigsten Tools. Kopfhörer sind dabei das wichtigste Element. Sie erschaffen sofortige Mini-Blasen überall. Noise-Cancelling ist Gold wert. Dazu Kaugummi oder Bonbons, ein kleiner Fidget-Gegenstand, vielleicht ein beruhigender Duft. Was auch immer euch hilft.
Fluchtwege kennen ist keine Paranoia, sondern Sicherheitsstrategie. Wo sind die Ausgänge? Wo kann ich mich zurückziehen, wenn es zu viel wird? Diese Information zu haben, beruhigt unser Nervensystem. Wir sind nicht gefangen, wir haben Optionen.
Vertraute Routen bevorzugen reduziert kognitive Belastung. Neue Wege und Orte kosten Energie. Wenn wir bereits gestresst sind, hilft es, bekannte Pfade zu gehen. Das Gehirn muss nicht ständig neue Informationen verarbeiten.
Soziale Safe Spaces aufbauen
Menschen können Safe Spaces sein, aber sie können auch das Gegenteil darstellen. Soziale Safe Spaces aufzubauen ist oft schwieriger als physische, aber mindestens genauso wichtig.
Offline soziale Räume
Selbsthilfegruppen oder DIS-Treffen können unglaublich wertvoll sein. Mit Menschen zu sprechen, die verstehen, ohne dass wir alles erklären müssen, ist heilsam. Aber nicht jede Gruppe funktioniert für jeden. Achtet auf die Dynamik. Gibt es klare Regeln? Wird Vertraulichkeit respektiert? Gibt es Menschen, die den Raum dominieren? Toxische Gruppendynamiken gibt es auch in Selbsthilfegruppen.
Therapeutische Settings sind per Design Safe Spaces, also zumindest sollten sie es sein. Eine gute therapeutische Beziehung bietet alle Elemente eines Safe Spaces, denn Grenzen werden respektiert, wir dürfen sein wie wir sind, das Tempo wird an uns angepasst. Wenn euer therapeutisches Setting sich nicht sicher anfühlt, sprecht es an oder sucht euch Unterstützung woanders.
Ausgewählte Freund:innen, die verstehen, sind kostbar. Nicht jeder Mensch in eurem Leben muss alles über eure DIS wissen. Aber ein paar Menschen zu haben, bei denen ihr nicht performen müsst, ist wichtig. Menschen, die verschiedene Persönlichkeiten kennen und akzeptieren. Die eure Grenzen respektieren. Menschen, die aushalten können, wenn es schwierig wird.
Peer-Unterstützung organisieren, also bewusst Support-Systeme aufzubauen. Das können Buddy-Systeme sein, wo ihr euch gegenseitig in schwierigen Momenten unterstützt. Oder Check-in-Routinen mit anderen DIS-Menschen oder gemeinsame Skills-Training-Sessions, denn hr müsst das nicht alleine schaffen.
Online soziale Räume
Das Internet kann Segen und Fluch sein, denn auf der einen Seite finden wir hier Menschen, die unsere Erfahrungen teilen, auf der anderen lauern Trigger, Retraumatisierung und toxische Dynamiken.
Moderierte DIS-Communities mit klaren Regeln sind Gold wert. Achtet darauf, dass es Community Guidelines gibt, die durchgesetzt werden. Dass es Moderator:innen gibt, die bei Grenzüberschreitungen eingreifen, Trigger-Warnungen Standard sind und verschiedene Räume für verschiedene Bedürfnisse existieren.
Kleinere, geschlossene Gruppen funktionieren oft besser als große öffentliche Foren, weil in kleineren Kreisen oft mehr Vertrauen entsteht. Menschen kennen sich, dadurch gibt es weniger Drama und mehr echte Verbindung. Überlegt, ob ihr eigene kleine Gruppen gründen wollt.
Klare Abgrenzung zwischen Vent-Räumen und Safe-Räumen ist wichtig, denn nicht jeder Content gehört überall hin. Räume, in denen intensiv über Trauma gesprochen wird, sollten klar gekennzeichnet sein. Opt-in statt Opt-out, denn wir sollten selbst entscheiden können, wann wir uns damit konfrontieren.
Blocken und Melden als Selbstfürsorge nutzen. Der Block-Button ist euer Freund. Ihr schuldet niemandem Zugang zu euch. Wenn jemand eure Grenzen überschreitet, triggernd ist oder einfach bad vibes verbreitet: Block. Ohne Schuldgefühle. Eure mentale Gesundheit ist wichtiger.
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Innere Safe Spaces kultivieren
Nicht nur äußere, sondern auch innere Räume können Safe Spaces sein. Diese mitzunehmen ist ein unglaublich mächtiges Tool.
Visualisierung eines inneren Ortes
Viele DIS-Systeme haben die Fähigkeit, innere Welten sehr detailliert zu visualisieren. Diese Fähigkeit können wir nutzen, um innere Safe Spaces zu erschaffen.
Ein innerer Rückzugsort kann alles sein. Ein Strand, ein Wald, ein gemütliches Zimmer, ein Raum im Weltall. Es gibt keine Regeln, nur was für euch funktioniert. Wichtig ist, dass dieser Ort Sicherheit vermittelt.
Details machen den Unterschied. Je detaillierter wir diesen Ort ausarbeiten, desto realer wird er für unser Gehirn. Wie sieht er aus? Welche Farben? Welche Geräusche? Wie riecht es? Wie fühlt sich der Boden an? Gibt es bestimmte Objekte? Welche Atmosphäre herrscht?
Regelmäßig besuchen verankert diesen Ort. Nutzt Meditation oder Imagination, um diesen inneren Ort aufzusuchen. Je öfter ihr dort seid, desto schneller könnt ihr bei Bedarf dorthin zurückkehren. Es wird zu einem echten Anker.
Alle Persönlichkeiten einladen macht diesen Ort zu einem gemeinsamen Safe Space. Jede Persönlichkeit kann dort sein, wie sie ist. Es kann verschiedene Bereiche für verschiedene Bedürfnisse geben. Manche mögen eine gemütliche Bibliothek, andere einen aktiven Spielplatz, wieder andere einen stillen Meditationsraum.
Co-Bewusstsein als Safe-Space-Tool
Co-Bewusstsein bedeutet, dass verschiedene Persönlichkeiten gleichzeitig präsent und bewusst sind. Das kann ein Safe Space in sich sein, weil wir nicht alleine sind.
Innere Kommunikation fördern hilft, Sicherheit zu schaffen. Wenn wir miteinander sprechen können, können wir uns gegenseitig unterstützen. Tagebücher, in denen verschiedene Persönlichkeiten sich austauschen, sind ein guter Start. Oder innere Meetings, in denen wir Entscheidungen gemeinsam treffen.
Gegenseitige Unterstützung der Persönlichkeiten ist ein Geschenk. Wenn eine Persönlichkeit überfordert ist, können andere helfen. Wenn jemand triggernd ist für eine Persönlichkeit, kann eine andere übernehmen. Wir sind ein Team, kein Chaos.
Sicherheit durch Verbindung entsteht, wenn wir lernen, dass wir nicht alleine sind. Dass andere Persönlichkeiten da sind, die uns verstehen, weil sie Teil von uns sind. Diese innere Verbindung kann stärker sein als jede äußere.

Grenzen als Safe-Space Grundlage
Safe Spaces funktionieren nicht ohne Grenzen. Grenzen sind nicht die Mauern des Safe Spaces, sie sind das Fundament.
Warum Grenzen für DIS-Menschen besonders schwer sind
Viele von uns haben in der Kindheit gelernt, dass unsere Grenzen nicht zählen. Dass wir keinen Schutz verdienen, die Bedürfnisse anderer wichtiger sind als unsere, „Nein“ sagen gefährlich ist. Diese Prägungen sitzen tief.
Grenzen setzen kann sich falsch anfühlen. Egoistisch. Gemein. Als würden wir andere verletzen. Diese Schuldgefühle sind normal, aber sie sind nicht wahr. Grenzen zu setzen ist nicht egoistisch. Es ist Selbstfürsorge und Selbstschutz.
Grenzen setzen lernen
Grenzen formulieren braucht Übung. Klare, direkte Sätze helfen.
„Ich brauche jetzt Ruhe.“, „Darüber möchte ich nicht sprechen.“, „Das ist meine Grenze.“ „Nein.“
Ohne Rechtfertigung, ohne Erklärung. Eure Grenze ist Grund genug.
Grenzen wiederholen ist oft nötig. Viele Menschen testen Grenzen. Nicht böswillig, oft unbewusst. Bleibt standhaft. „Wie ich bereits sagte: Nein.“ „Ich habe meine Grenze klar gemacht.“ Wiederholt so oft wie nötig.
Konsequenzen durchsetzen ist der schwierige Teil. Wenn jemand eure Grenzen wiederholt nicht respektiert, braucht es Konsequenzen. Distanz. Kontaktabbruch. Das fühlt sich hart an, ist aber manchmal notwendig. Eure Sicherheit ist wichtiger als deren Gefühle.
Grenzen bei Therapeut:innen und Ärzt:innen zu setzen ist besonders wichtig und besonders schwer. Diese Menschen haben oft Machtpositionen. Aber auch sie müssen eure Grenzen respektieren. Wenn eine Behandlung sich nicht gut anfühlt, dürft ihr das sagen. Wenn ein Tempo zu schnell ist, dürft ihr es verlangsamen. Ihr seid nicht ausgeliefert.
Formulierungshilfen für Grenzen
Manchmal hilft es, Sätze vorbereitet zu haben. Hier sind einige Formulierungen, die funktionieren können:
- „Ich verstehe, dass das für dich wichtig ist, aber darüber kann ich gerade nicht sprechen.“ Für Themen, die zu belastend sind.
- „Heute geht das nicht. Können wir einen anderen Termin finden?“ Für unerwartete Anfragen.
- „Ich brauche gerade Zeit für mich.“ Ohne Erklärung, warum.
- „Das ist eine persönliche Grenze von mir.“ Für Situationen, wo ihr nicht ins Detail gehen wollt.
- „Stopp. Das geht zu weit.“ Für akute Grenzüberschreitungen.
- „Ich entscheide selbst, wann ich darüber sprechen möchte.“ Für neugierige Fragen zu eurer DIS.

Wenn Safe Spaces fehlen
Manchmal haben wir keinen Zugang zu sicheren Räumen. Die Wohnsituation ist schwierig, das soziale Umfeld ist toxisch, finanzielle Möglichkeiten sind begrenzt. Was dann?
Mikro-Safe-Spaces erschaffen
Auch kleinste sichere Momente zählen. Fünf Minuten mit Kopfhörern. Das Badezimmer als Rückzugsort. Eine Ecke im Zimmer, die nur euch gehört. Das Auto als neutraler Raum. Diese Mini-Safe-Spaces sind besser als gar keine Sicherheit.
Zeitlich begrenzte Sicherheit einplanen kann helfen. „Von 22 bis 23 Uhr ist meine Safe-Space-Zeit.“ In dieser Stunde gehört der Raum nur euch. Tür zu, Handy stumm, nur ihr. Das gibt eurem Nervensystem zumindest kurze Erholungsphasen.
Externe Safe Spaces nutzen. Bibliotheken sind oft ruhig und sicher. Parks können Zuflucht bieten. Bestimmte Cafés zu ruhigen Zeiten. Kirchen oder spirituelle Räume, wenn euch das liegt. Sucht aktiv nach Orten außerhalb eures Zuhauses.
Langfristig an Veränderung arbeiten (H3)
Wenn eure aktuelle Situation grundlegend unsicher ist, braucht es langfristige Veränderungen. Das ist oft ein Marathon, kein Sprint.
Wohnsituation verbessern kann bedeuten, ausziehen, Mitbewohner:innen wechseln, Grenzen setzen mit Menschen, mit denen ihr zusammenlebt. Das braucht oft Zeit, Geld und Planung. Aber es kann das wichtigste Investment in eure Heilung sein.
Toxische Beziehungen beenden oder transformieren. Nicht jede Beziehung kann gerettet werden. Manche Menschen sind nicht in der Lage oder nicht willens, eure Grenzen zu respektieren. Das loszulassen ist schmerzhaft, aber manchmal notwendig für eure Sicherheit.
Professionelle Unterstützung suchen. Sozialberatung kann bei Wohnsituationen helfen. Therapie kann bei der Verarbeitung unterstützen. Rechtliche Beratung bei bestimmten Situationen. Schämt euch nicht, Hilfe anzunehmen.
Safe Spaces verteidigen (H2)
Safe Spaces zu erschaffen ist eine Sache. Sie zu verteidigen eine andere. Andere Menschen werden eure Safe Spaces nicht immer verstehen oder respektieren.
Häufige Angriffe auf Safe Spaces (H3)
- „Du übertreibst.“
Nein, tun wir nicht. Unser Nervensystem braucht diese Sicherheit. Das ist nicht optional. - „Du musst dich der Realität stellen.“
Tun wir. Jeden Tag. Safe Spaces ermöglichen uns genau das. - „Du machst dich damit nur schwächer.“
Das Gegenteil ist der Fall. Safe Spaces geben uns die Kraft, stärker zu werden. - „Nicht jeder kann auf deine Bedürfnisse Rücksicht nehmen.“
Stimmt. Deshalb erschaffen wir unsere eigenen Safe Spaces, wo wir die Kontrolle haben. - „Das ist doch nur Vermeidung.“
Nein, das ist Regulation. Es gibt einen Unterschied zwischen Vermeidung aus Angst und bewusstem Schutz zur Heilung.
Standhaft bleiben (H3)
Ihr müsst euch nicht rechtfertigen. Eure Bedürfnisse sind valide, eure Grenzen sind wichtig und eure Sicherheit ist keine Verhandlungssache.
Andere werden es vielleicht nicht verstehen. Das ist okay. Sie müssen es nicht verstehen, sie müssen es nur respektieren. Wenn sie das nicht können, braucht ihr Distanz.
Eure Safe Spaces sind nicht verhandelbar. Sie sind die Grundlage eurer Heilung. Kompromisse sind in vielen Bereichen wichtig, aber nicht bei eurer grundlegenden Sicherheit.
Die Balance finden (H2)
Safe Spaces sollen uns stärken, nicht isolieren. Die Balance zwischen Schutz und Wachstum ist manchmal schwierig.
Wann sind Safe Spaces hilfreich? (H3)
Wenn wir uns dort regulieren können, wir danach gestärkter sind, sie uns ermöglichen, wieder hinauszugehen, sie unsere Lebensqualität verbessern, verschiedene Persönlichkeiten dort zur Ruhe kommen, dann sind sie hilfreich.
Wann wird es problematisch? (H3)
Wenn aus Schutz reine Vermeidung wird, wir uns nur noch in unseren Safe Spaces aufhalten und Leben verpassen, wir Herausforderungen komplett meiden, die wichtig für unser Wachstum wären, wir uns zunehmend isolieren.
Die Wahrheit ist: Die meisten DIS-Menschen haben zu wenig Safe Space, nicht zu viel. Zu wenig Sicherheit, zu wenig Schutz, zu viele Anforderungen. Also erstmal: Baut eure Safe Spaces auf. Sorgt für Sicherheit. Und dann, von diesem stabilen Fundament aus, könnt ihr langsam eure Komfortzone erweitern.

Fazit: Safe Spaces sind euer Recht (H2)
Safe Spaces sind keine Schwäche. Sie sind die Grundlage für echte Stärke. Ihr könnt nicht heilen, wachsen oder euch entwickeln, wenn euer Nervensystem permanent auf Alarmbereitschaft läuft.
Wir haben ein Recht darauf, uns sicher zu fühlen. Nicht überall, nicht immer. Die Welt ist keine kontrollierte Umgebung. Aber irgendwo, manchmal. Und das ist absolut genug für den Anfang.
Jeder kleine sichere Moment zählt. Fünf Minuten mit Kopfhörern. Eine geschützte Ecke in eurem Zuhause. Eine respektierte Grenze. Ein Mensch, bei dem ihr sein dürft. Diese Momente summieren sich. Sie werden zu Minuten, zu Stunden, zu Tagen. Sie werden zu Heilung.
Safe Spaces zu schaffen ist aktive Arbeit. Anstrengende, manchmal frustrierende Arbeit. Ihr müsst sie verteidigen, erklären, erkämpfen. Aber jede Minute dieser Arbeit ist ein Investment.

